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Ist Made in China das neue Made in Germany?

Marken wie Nio und BYD wollen hierzulande Fuß fassen. Neben der Bekanntheit kennt Melanie Rönnfeld noch ein Hindernis.

Auf der Auto Shanghai strotzen die chinesischen Marken nur so vor Selbstbewusstsein. Die lokalen Hersteller sind auf der Messe omnipräsent, über 650 Modelle von 60 Marken, fast alle mit elektrischem Antrieb. Viele internationale Besucher waren überrascht, wie schnell sich in China der Umstieg zur Elektromobilität vollzogen hat. William Li, der CEO von Nio, wird auf der Pressekonferenz wie ein echter Popstar gefeiert. Ganz im Stil von Steve Jobs präsentiert er die neuesten technischen Features und Software-Updates, völlig undenkbar für jeden deutschen Hersteller. Die jungen Chinesen stehen Schlange, um Selfies mit ihm zu machen. Blogger streamen seinen Auftritt live zu einem Millionen- Publikum. Die techaffine Jugend hat sich längst ihre Meinung gebildet: Die heimischen Marken sind der neue Hype, während die deutschen Hersteller in der Gunst zurückfallen. Sie sehen Automobile als Smartphones auf Rädern. Für sie zählen riesige Screens und In-Car-Entertainment mehr als Image und Prestige.

Melanie Rönnfeld, Geschäftsführerin für Spatial Experience bei Mutabor
„Die deutschen Hersteller haben unterschätzt, wie schnell sich der Markt in China wandelt.“

Die deutschen Hersteller haben es derzeit schwer in China. Sie wurden im Reich der Mitte mit Verbrennern groß, aber werden nun bei den E-Autos abgehängt.

Die letzte Auto Shanghai fand vor zwei Jahren, im April 2021, statt. Ein solcher Zeitraum ist in einer Industrie, die mehr und mehr von Tech-Themen beherrscht wird, eine Ewigkeit. Diese Beobachtungen machen deutlich, wie wichtig Messen für die Automobilindustrie sind. Sie sind mehr als nur ein Schauplatz für Innovationen, sondern vor allem ein Gradmesser für die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Und wer bei diesem Turnier als Sieger vom Platz geht, ist eindeutig.
Die Mobilitätsbranche muss Automessen wieder ernst nehmen und mit einem Sieger-Mindset bespielen. Diese durch hybride Veranstaltungen oder digitale Präsentationen zu ersetzen, ist zu kurz gedacht. Die gemeinsame Meinungsbildung und die Standortbestimmung im Wettbewerb finden hier nicht statt. Anstatt auf Sparprogramme zu setzen, sollten Marketingverantwortliche lieber wieder Vollgas bei Messen geben. Nur so lassen sich Märkte zurückerobern.

Melanie Rönnfeld, Geschäftsführerin Spatial Experience

  • Automotive Projekte für: Audi, BMW Motorrad, Mini, Cariad, Siemens Healthineers und Volkswagen
  • Mit ihrem Team setzte sie auf der IAA Mobility 23 neue Standards für temporäre Markenarchitektur. Der Auftritt von Volkswagen unter dem Moto #OneFuture stand für einen inklusiven und optimistischen Blick in die Zukunft.

Die chinesischen Modelle erfahren hierzulande eine immer breitere Akzeptanz.

Laut dem Vergleichsportal Carwow können sich 42 Prozent der Deutschen vorstellen, beim nächsten Autokauf eine chinesische Marke in Betracht zu ziehen, ein Plus von 12 Prozent gegenüber Dezember. Doch die Neuankömmlinge sind hierzulande noch vollkommen unbekannt.

Noch können die Chinesen keine nennenswerten Absatzzahlen in Europa vorweisen. Sie brauchen einen langen Atem, um in Europa Fuß zu fassen, ähnlich wie die Koreaner, die in den 90er Jahren hier ihren Siegeszug angetreten haben. Aber wenn sie ihre Vertriebsprobleme in den Griff bekommen, können sie mittelfristig bis zu 8 oder 10 Prozent Marktanteil in Europa erreichen, so die Prognose eines Herstellers.